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EU-Sozialversicherungsrecht

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Babyjahre für Grenzgänger kritisch prüfen

Kindererziehungszeiten von Grenzgängern sind grundsätzlich im Wohnsitzland festzustellen. Nur wenn dies doch nicht erfolgt, kommen die luxemburgischen Babyjahre in Betracht. Wer die Babyjahre formell beantragt, erhält den Versicherungsverlauf der CCSS und auch eine Hochrechnung der zukünftigen Rente. Die Hochrechnung geht allerdings davon aus, dass die Babyjahre am Ende auch berücksichtigt werden.

Babyjahre führen zu einer höheren Rente und nicht bloß zu anerkannten Wartezeiten. In einem Fall hatte die Mandantin die Mitteilung bekommen, dass ihre Rente 2.500,00 Euro beträgt. Als es dann so weit war und sie die vorgezogene Alterspension beantragt hatte, betrug die Rente plötzlich nur noch 1.970,00 Euro. Das ist leider kein Einzelfall. Was war geschehen?

Erst mit der Antragstellung werden die Rentenzeiten verbindlich berechnet. Vorherige Auskünfte der Rentenkasse sind unverbindlich. Das sollte man wissen, wenn man seinen Ruhestand plant. Denn die Rentenkasse klärt erst im konkreten Antragsverfahren, ob die Kindererziehungszeiten nicht bereits im Wohnsitzland berücksichtigt worden waren.

Dazu erfolgt eine Abfrage der deutschen Versicherungszeiten. Dies kann dann dazu führen, dass die Babyjahre im Nachgang wieder gestrichen werden. Bei zwei Kindern kann dies durchaus 500 Euro Monatsrente ausmachen. Grenzgänger, die vormals in Deutschland gearbeitet haben, werden immer einmal von der deutschen Rentenversicherung aufgefordert, ihre Konten zu klären.

Auf die Frage, ob Kindererziehungszeiten berücksichtigt werden sollen, antwortet naturgemäß jeder Elternteil mit ja. Dieses unscheinbare Kreuz führt somit zur Feststellung der deutschen Kindererziehungszeiten. Dies kann in Deutschland nicht mehr korrigiert werden. Sind die Kindererziehungszeiten aber erstmal festgeschrieben, sind die Babyjahre in Luxemburg gesperrt.

Dies und vieles mehr sollten Grenzgänger beachten.

25% Grenze wird zur 50% Grenze

Grenzgänger möchten gerne mehr Homeofficearbeit leisten.  In einigen Branchen ist dies praktisch möglich. Das Ansinnen scheiterte bislang an der sogenannten 25%-Grenze im Sozialversicherungsrecht. Wer ab 25% seiner Arbeitszeit im Wohnsitzland arbeitete, war dort sozialversicherungspflichtig. Das hatte für Grenzgänger zur Folge, dass sie aus dem luxemburgischen Sozialsystem ausgeschieden wären. Hieran hatte natürlich niemand Interesse.

Allerdings bedeuteten 25% ausgehend von gewöhnlich 220 Arbeitstagen lediglich 55 Tage. Die meisten Grenzgänger orientierten sich aus pragmatischen Gründen an einer 50-Tage Grenze.

Ab dem 1. Juli 2023 wird dies nun anders sein. Deutschland und Luxemburg haben sich am 5. Juni 2023 dahingehend geeinigt, dass zumindest im Sozialversicherungsrecht nun eine 50% Grenze nicht überschritten werden darf.

Grenzgänger können demnach bis zu 110 Tagen –bei Vollzeitbeschäftigungsverhältnissen- in Deutschland arbeiten, ohne die luxemburger Sozialversicherung zu verlieren. Die Vereinbarung ist auf Telearbeit beschränkt. Die 25-Grenze ist somit nicht abgeschafft  sondern nur um einen Sonderfall ergänzt worden. Telearbeit bedeutet nicht unbedingt Homeoffice, sondern Remote-Arbeiten im Allgemeinen.

Diese Vereinbarung hat allerdings keinen Einfluss auf das Steuerrecht. Hier gilt nach wie vor die 19-Tage Grenze. Im Einzelfall kann es also interessant sein, nun mehr im Homeoffice oder im Wohnsitzland Deutschland zu arbeiten. Das bedeutet Grenzgänger können zwei Tage Homeoffice leisten. Das Abkommen ist auf Homeoffice- bzw. Telearbeiten beschränkt.

Im Grunde genommen könnten jetzt viel mehr Grenzgänger Homeoffice leisten. Wie sich dies steuerlich bei Ihnen auswirkt, kann man vorab berechnen lassen.

Wir stehen für diese Berechnung und Beratung zur Verfügung

Probleme bei der Sozialversicherung

Grenzgänger dürfen bekanntermaßen nicht mehr als 25% ihrer Arbeitszeit in ihrem Wohnsitzland Deutschland arbeiten. Andernfalls verlieren sie ihren Anspruch auf luxemburger Sozialversicherung. In einem aktuellen Fall prüfte der deutsche Zoll einen LKW-Fahrer.

Es wurde festgestellt, dass dieser vier Jahre lang, nämlich in den Jahren 2015 bis 2018 überwiegend in Deutschland fuhr. Daraufhin erfolgte eine Meldung an die Deutsche Rentenversicherung. Diese wiederum meldete die Angelegenheit an die CCSS. Dies hatte zur Folge, dass die CCSS die Renteneinzahlungen des Grenzgängers rückwirkend storniert und zurück überwiesen hat. Letztendlich führt dies zur Pflicht des Arbeitgebers, den Mitarbeitern nachträglich in der Deutschen Rentenversicherung anzumelden.

Damit nicht genug: Mittlerweile wird dann auch noch die luxemburger Kindergeldkasse über diesen Vorgang informiert. Das war in früheren Jahren nicht der Fall. Diese verlangte dann das Kindergeld zurück. Es erfolgte allerdings eine direkte Verrechnung mit der deutschen Kindergeldkasse. Da jedoch bekanntermaßen das luxemburger Kindergeld viel höher ist, wird dann auch die Differenz von dem Grenzgänger zurückgefordert. Im vorliegenden Falle handelt es sich bei mehreren Kindern über vier Jahre um rund 18.000,00 Euro.

Diese Beträge und auch der Nachteil in der Rentenversicherung sollten dazu Anlass geben, dass sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer ernsthaft die Einhaltung der Arbeitszeiten außerhalb Luxemburgs, insbesondere im Wohnsitzland prüfen. Besser ist es jedoch zu Jahresanfang einen Jahresplan zu erstellen, um die Zeiten außerhalb Luxemburgs abzuschätzen. Dadurch gewinnen sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer an Rechtssicherheit.

Kurzarbeit, wenn Unternehmen in Deutschland keinen Betrieb haben

Bestimmte Grenzgänger sind nicht in Luxemburg sozialversichert, insbesondere Berufskraftfahrer. Wenn diese ihren Wohnsitz in Deutschland haben und mehr als 25% ihrer Arbeitszeit in ihrem Wohnsitzland fahren, unterliegen sie nicht der luxemburger Sozialversicherung.

In Zeiten der Kurzarbeit wegen Covid-19 hat dies massive Probleme ergeben.

Denn eine Erstattung aus Deutschland bezüglich Kurzarbeit konnten die Arbeitgeber dieser Berufskraftfahrer nicht erlangen. Das deutsche Recht setzt voraus, dass zum einen eine Sozialversicherungspflicht in Deutschland besteht, aber zum anderen auch der Betrieb seinen Sitz in Deutschland hat.

Auch aus Luxemburg konnten die Betriebe keine Erstattung verlangen. Dort lauten die Vorschriften so, dass der Mitarbeiter in Luxemburg sozialversichert sein muss.

Das deutsche Arbeitsministerium hat noch einmal gegenüber den Task Force-Grenzgängern der Großregion im Mai 2020 bekräftigt, dass es nach deutschem Recht unabdingbare Voraussetzung ist, dass eine Niederlassung in Deutschland besteht.

Die Task Force gibt jetzt diesen Fall an die europäische Kommission, um diese rechtliche Lücke zu schließen.

 

Verlängerung der Ausnahmeregel bezüglich der Sozialversicherung

Grenzgänger müssen normalerweise die 25%-Grenze beachten. Sie dürfen nicht mehr als 25% ihrer Arbeitszeit in Deutschland verbringen. Tun sie es doch, fallen sie aus der luxemburger Sozialversicherung raus.

Im Rahmen der Corona-Ausnahmeregelungen gilt diese Vorschrift nicht. Dies ergibt sich zum einen schon direkt aus der EU-Richtlinie.

Zum anderen haben sich aber jetzt auch wieder die Ministerien von Luxemburg und den Nachbarländern, insbesondere Deutschland, darauf geeinigt.

Grenzgänger können daher weiterhin im Homeoffice arbeiten ohne die Anbindung an das luxemburgische Sozialversicherungssystem zu verlieren.

Insbesondere wegen der niedrigeren luxemburgischen Beiträge in der Sozialversicherung als auch dem höheren Kindergeld ist dies für Grenzgänger besonders interessant.

Auch bezüglich der Steuer wird es weiterhin eine Ausnahmeregelung geben. Die 19-Tage-Grenze wird auch bis auf Weiteres bis Ende Juni 2021 außer Kraft gesetzt.

 

 

BARMER erkennt im Einzelfall Familienversicherung von Minderjährigen ab

Von der BARMER Ersatzkasse hat man in den letzten Monaten gehört, dass sie Familienversicherte von Grenzgängern nicht mehr versichern wollten. Stattdessen verlangten sie eine eigene Versicherung, sobald geringe eigene Einkünfte vorlagen. Die Rechtslage hat sich zwischenzeitlich auf Druck des Arbeitsministeriums entspannt. Es bleibt hier bei der alten Rechtslage.

Ein weiteres Feld, in dem die BARMER jetzt vorbricht, ist die Familienversicherung von Minderjährigen.

Grundsätzlich gilt: Arbeitet ein Elternteil in Deutschland, der andere in Luxemburg, sind die Kinder bei dem Elternteil in Deutschland mitversichert.

Wie aber ist die Rechtslage bei Geschiedenen? Nach nationalem Recht sind die Kinder bei dem Elternteil versichert, bei dem sie wohnen.

Genau dies will die BARMER jetzt nicht mehr anerkennen. Im vorliegenden Fall lebt das Kind bei der Mutter, die Grenzgängerin ist. Der geschiedene Vater lebt 200 Kilometer entfernt. Das Kind soll jetzt nach Rechtsauffassung der BARMER von dem Vater bezüglich der Krankenversicherung betreut werden, der zufälligerweise auch bei der BARMER versichert ist.

Derzeit wird dieser Fall vor dem Sozialgericht Trier verhandelt.

Es geht um die Begrifflichkeit des Familienangehörigen nach EU-Recht. Letztendlich verstößt die BARMER gegen das Gleichbehandlungsrecht und das Schlechterstellungsverbot von EU-Bürgern.

Ähnliche Fälle dürfte es bundesweit geben.

 

Elterngeld aus beiden Ländern gleichzeitig

Das Landessozialgericht hat am 22. Juni 2020 zu Gunsten der Grenzgänger entschieden. Im Falle, dass der Grenzgänger den zweiten Elternurlaub für das erste Kind nahm und die Nichtgrenzgänger-Ehefrau den ersten Urlaub für das zweite Kind, wollten die Eheleute also aus beiden Ländern gleichzeitig Elterngeld erhalten.

Die Jugendämter legten die EU-Richtlinie jedoch dahingehend aus, dass ein gleichzeitiger Bezug von Elterngeld aus zwei Ländern nicht möglich sei.

In dem Gerichtsverfahren wurde herausgearbeitet, dass die Interpretation so von der Richtlinie nicht gemeint gewesen sein kann. Denn die Eltern bezogen ja für das jeweils andere Kind Leistungen. Insofern kam es nicht zu einer Kumulation ein und derselben Leistung. 

Dieser Argumentation hat sich sowohl das Sozialgericht Trier also auch das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz angeschlossen. Das Landesjugendamt hat keine Revision eingelegt, obwohl das Landessozialgericht diese aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen hatte.

Eltern in vergleichbarer Situation können sich daher nun auf das Urteil des Landessozialgerichts berufen (Aktenzeichen: L 2 EG 3/18) und gegenüber den Jugendämtern argumentieren. Es wird wahrscheinlich noch einige Zeit dauern, bis jedes Jugendamt in Rheinland-Pfalz diese Entscheidung offiziell kennen wird (Stand 07.09.2020).

 

 

Problem der Familienversicherung gelöst

Die Familienversicherung für Angehörige von Grenzgängern wird wieder revidiert. Einige Krankenkassen, insbesondere auch die BARMER, hatten bei Grenzgängern die Familienversicherung versagt, sobald Einkünfte vorliegen. Man stütze sich im Wesentlichen mit der Begründung auf Artikel 11 Abs. 3 der Richtlinie 883/04.

Aufgrund zahlreicher Proteste gegenüber der Politik hat das Ministerium für Arbeit und Soziales die Krankenkassen angewiesen, zur alten Praxis zurückzukehren, wie es Ende 2018 üblich war. Dies gilt nicht nur für Luxemburg, sondern auch für Österreich, Dänemark und der Schweiz. Gegenüber allen anderen EU-Staaten bleibt es jedoch bei diesen Regelungen. Letztendlich hängt dies auch damit zusammen, dass die luxemburgische Krankenkasse CNS aus politischen Gründen nicht auf ihr Recht beharrt, von den finanziellen Lasten aus der Familienversicherung der Angehörigen befreit zu werden.

In anderen EU-Staaten bleibt es bei der neuen Regelung, weil die jeweiligen Krankenkassen eher sparsam mit dem nationalen Geld umgehen und dadurch Familienangehörige von Grenzgängern aus ihrem Budget entfernen können.

Die DEVK ist nach wie vor der Auffassung, dass es sich bei der Grenzgänger Regel für Luxemburg nicht um die gesetzliche Lösung handelt, sondern um eine politische Absprache zwischen Deutschland und Luxemburg.

Im Ergebnis ist damit jedoch den Grenzgängern geholfen. Der eigentliche juristische Streit ist tiefergehend und hat sich somit erledigt.

 

 

Grenzgängern droht Ungemach durch Barmer Krankenkasse

Grenzgänger, die bei der Barmer Krankenkasse versichert sind, haben ein Problem:

Die Barmer wendet jetzt die EU-Richtlinie 883/04 strenger an. Hierbei passieren natürlich auch Fehler.

Kinder und Ehegatten von Grenzgängern, die bislang familienversichert waren, müssen sich selbst versichern, wenn sie Einkünfte haben.

Hierzu zählen auch Jugendliche, die beispielsweise Einkünfte aus Trainertätigkeiten erzielen. Auch Kapitaleinkünfte sollen hierzu zählen.

Die bisher geltenden nationalen Höchstverdienstgrenzen will die Barmer nämlich nicht mehr auf Angehörige von Grenzgängern anwenden.

Von anderen Krankenkassen ist dieses Prozedere noch nicht bekannt.

Es herrscht allgemeine Panik bei Grenzgängern, ob nun alle Krankenkassen so vorgehen.

Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob dieses Vorgehen überhaupt rechtmäßig ist. Krankenkassen neigen gerne dazu, ihre Kassen zu füllen und einfach einmal die Rechtmäßigkeit ihrer Interpretation zu behaupten. Erfahrungsgemäß gibt es Krankenkassen, die dies dann auch bis zur letzten Instanz durchfechten, um eine Präzedenzentscheidung eines höchsten Gerichtes zu erzielen.

Europarechtlich scheint dieses Vorgehen jedoch nicht eindeutig zu sein, da die Barmer hier als einzige Krankenkasse vorprescht. Denn nach dem Sinn und Zweck des Europarechts darf es keine Schlechterstellung gegenüber nationalen Sachverhalten geben. Angehörige von Grenzgängern würden jedoch schlechter gestellt, wenn die bislang geltenden Freigrenzen nun auf einmal nicht mehr gelten.

 

 

Bezug von Witwenrenten aus beiden Ländern

Witwen oder Witwer erwerben in Deutschland die große oder kleine Witwenrente. Die große kommt dann in Betracht, wenn beispielsweise ein minderjähriges Kind vorhanden ist.

In Luxemburg gibt es keine Unterscheidung. Hier gibt es nur eine Form einer Hinterbliebenenrente.

Auf die große Witwenrente werden allerdings sonstige Einkünfte angerechnet, die dann zu einer Reduzierung führen.

Explizit ist damit nicht eine ausländische gesetzliche Hinterbliebenenrente gemeint. Denn diese wurde ja aus eigenen Rentenbeiträgen und eigenen Pflichtbeitragsjahren erworben, die bei der deutschen Hinterbliebenenrente eben nicht berücksichtigt werden.

Lediglich Einkünfte aus Vermietung, Kapitalerträgen oder privaten Rentenversicherungen und Lohneinkünfte sind hier gemeint.

 

 

EuGH-Urteil: Kindergeld für Grenzgänger bei Patchwork

Der EuGH hat am 2. April 2020 entschieden, dass auch die im Haushalt lebenden Kinder des Grenzgängers Anspruch auf Kindergeld haben, wenn sie nicht mit ihm verwandt sind. Klassischerweise handelt es sich hier um Patchwork-Familien.

Der Ehepartner in zweiter Ehe hat Kinder mit in den Haushalt gebracht. Nach dem neuen Kindergeldrecht, das im Jahre 2016 in Kraft getreten ist, erhielt der Grenzgänger für diese Kinder kein Kindergeld mehr. In den Vorjahren nach altem Recht war dies kein Problem.

Der EuGH hat nun entschieden, dass diese sozialen Vergünstigungen allen Grenzgängern für deren Kinder zustehen. Diese neue Regel galt jedoch nur für gebietsfremde Arbeitnehmer, also Grenzgänger. Luxemburg hat durch eine vermeintlich geschickte Formulierung versucht, Grenzgänger von diesen Leistungen auszuschließen.

Dieses Urteil war im Grunde genommen vorhersehbar. Es zeigt aber, wie das Selbstverständnis Luxemburgs bezüglich EU-Recht ist, wenn es zu Zahlungsverpflichtungen führt. Sodann verhalten sich Staaten nicht anders wie Privatleute, die ihr Geld sparen wollen.

 

Gefährdet Homeoffice-Arbeit jetzt die Sozialversicherung in Luxemburg?

Das Corona-Virus hat nun ganze Branchen lahmgelegt, insbesondere den Einzelhandel und die Gastronomie. Unternehmen beantragen daher Kurzarbeit-Förderung. Die Mitarbeiter werden zum Teil freigestellt und erhalten Lohn, der staatlich rückfinanziert wird. In anderen Branchen wird Heimarbeit angeordnet. Grenzgänger treibt daher die Frage um, ob hierdurch Renten- und Kindergeldansprüche aus Luxemburg gefährdet sind.

Nach der EU-Richtlinie 883/2004 kommt es darauf an, dass Angestellte nicht mehr als 25 Prozent ihrer Tätigkeit im Wohnsitzstaat, also Deutschland, tätig sind. Bei Freistellung und Kurzarbeitergeld gibt es hier kein Problem, da die Freistellung eine Tätigkeit ausschließt.

Das könnte aber beim Homeoffice leicht der Fall werden. Konkret bedeutet dies 55 Arbeitstage von üblicherweise 220 Arbeitstagen. Das wären immerhin 11 volle Arbeitswochen. Andere Grenzgänger haben vielleicht ohnehin schon mit Außendienst kalkuliert, um diese Grenze nicht zu überschreiten. Jetzt kommen die Homeoffice-Tage dazu und die Grenze wird in jedem Fall überschritten.

Kindergeld und Rente sind dennoch nicht gefährdet, da ein zweites Kriterium erfüllt sein muss: Die Tätigkeit muss nämlich gewöhnlich in zwei Mitgliedsstaaten ausgeübt werden. Das bedeutet, dass die Stellenbeschreibung genau darauf ausgerichtet ist, den Dienst in zwei Ländern zu verrichten. Davon kann jedoch bei einem staatlichen Eingriff in das Arbeitsrecht nicht die Rede sein. Die Vertragsfreiheit, aber auch die europäischen Freiheitsrechte, wie die Arbeitnehmerfreizügigkeit, werden aktuell hoheitlich durch die Staaten eingeschränkt. Die Tätigkeit im Homeoffice wird daher außergewöhnlich ausgeübt. Das hat niemand gewollt, weder die EU-Staaten noch Arbeitgeber oder Arbeitnehmer. Insofern können die Grenzgänger beruhigt sein.

Im Zweifel sollte die Kommission hierüber nachdenken und eine entsprechende klarstellende Richtlinie erlassen.

 

Auslaufen der Sonderregel für Berufskraftfahrer bezüglich der Sozialversicherung

Wer in Luxemburg arbeitet, zahlt die Sozialversicherung grundsätzlich auich in Luxemburg. Ausnahmen gelten für Berufe, die für einen luxemburgischen Arbeitgeber in mehreren Ländern tätig sind. Hierbei kommt es darauf an, dass die Tätigkeit im Wohnsitzstaat, beispielsweise Deutschland, nicht mehr als 25 % beträgt, andernfalls fällt der Grenzgänger aus dem luxemburgischen Sozialsystem heraus.

Die EU-Richtlinie 883/2004 hatte für Berufskraftfahrer zum 1. Mai 2010 Sonderregelung gewährt zur Beibehaltung der 25 % – Grenze. Es handelte sich um die Gewährung von Bestandsschutz. Somit konnten Berufskraftfahrer in der Sozialversicherung bleiben, obwohl sie mehr als 25 % der Arbeitszeit im Wohnsitzstaat arbeiteten. Wenn sich die Situation des Berufskraftfahrers nicht geändert hatte, blieb er im luxemburger Sozialsystem. Das war der Fall, wenn er den Arbeitgeber nicht wechselte. Allerdings endet diese Sonderregel am 30.4.2020.

Erst jetzt informieren einige luxemburgische Transportunternehmen ihre Berufskraftfahrer diesbezüglich oder auch nicht. Ein Schelm, wer sich Böses dabei denkt, denn der Arbeitgeber hatte die Berufskraftfahrer mit großen Versprechungen  nach Luxemburg gelockt.

Die Berufskraftfahrer sind dann von heute auf morgen nicht mehr im luxemburgischen Sozialsystem und müssen in Deutschland versichert werden. Damit wird die Arbeit in Luxemburg in vielen Fällen uninteressant, denn die Fahrer zahlen schon Steuern in Deutschland.

Die Lösung besteht darin, die Fahrtrouten der Fahrer so zu planen, dass sie keine 25 % der Arbeitszeit in Deutschland fahren. Das wird in den wenigsten Fällen möglich sein.

 

 

Mehrfachbeschäftigung von Grenzgängern

In vielen Berufen müssen Grenzgänger auch außerhalb Luxemburgs arbeiten. Aber auch, wer einen Nebenjob in Deutschland hat, somit also zwei Arbeitgeber, muss seinen Sozialversicherungsstatus prüfen. Das gleiche gilt bei Selbständigkeit.

Rechtsanwalt Wonnebauer hat die Rechtsprobleme in einem Aufsatz im Saarländischen Anwaltsblatt auf der Seite 36  skizziert. Mehr …

 

 

Volles luxemburgisches Kindergeld trotz Beschäftigung in Deutschland

Arbeitet ein Elternteil in Deutschland, der andere in Luxemburg, gilt grundsätzlich: Es besteht ein Anspruch auf deutsches Kindergeld. In Luxemburg erhält man somit nur die Differenz, das sogenannte Differenzkindergeld.

Allerdings gibt es auch Beschäftigungen, die für diese Entscheidung nicht relevant sind. Tätigkeiten sind dann von untergeordneter Bedeutung, wenn sie weniger als drei Stunden wöchentlich ausgeübt werden. Dies kann beispielsweise bei Zeitungsausträgern oder Reinigungskräften, die nur einmal in der Woche tätig sind, vorkommen.

Auch selbstständige Tätigkeiten berechtigen grundsätzlich zu einem Anspruch auf deutsches Kindergeld. Allerdings gibt es auch hier die Kategorie der unwesentlichen und völlig untergeordneten Tätigkeiten. Dies liegt beispielsweise vor bei wöchentlichen Arbeitszeiten von weniger als zwei Stunden. Dazu können auch Tätigkeiten gehören, die im Steuerrecht als Liebhaberei angesehen werden. Dabei handelt es sich um Tätigkeiten, bei der das Finanzamt vermutet, dass es keine Gewinnerzielungsabsicht gibt und die Beschäftigung als solche im Vordergrund steht. Dies kann bei Malerei der Fall  oder bei einem Reitlehrer sein. Die Kosten überwiegen dann die Einnahmen, was der Selbstständige hinnimmt. Letztendlich geht es ihm in erster Linie auch nicht um Geld verdienen, sondern um eine sinnvolle Beschäftigung.

Dennoch kann es sein, dass die Familienkassen von den Tätigkeiten erfahren und das Kindergeld bis zur Aufklärung der Details stoppen. Für diesen Fall muss eine Menge an Formularen ausgefüllt werden.

Am Ende klärt sich jedoch meistens bei guter Beratung alles zur Zufriedenheit der Grenzgänger auf.

 

Neues Probleme bei der Familienversicherung

Angehörige des Grenzgängers, insbesondere die nicht arbeitende Ehefrau als auch die Kinder, gehören in die luxemburgische Sozialversicherung.

Wenn dann aber der Nichtgrenzgänger- Ehepartner noch Nebeneinkünfte erzielte, entweder aus selbstständiger Tätigkeit oder aus Angestelltentätigkeit, musste eine Beitragsbemessungsgrenze beachtet werden. Für Minijobs galt die Regel, dass diese die Familienversicherung nicht gefährden.

Diese Praxis wird nun jedoch schlagartig geändert.

Letztendlich ist die Auswirkung die, dass schon ein Minijob dazu führt, dass sich der Ehegatte in Deutschland selbst versichern muss. Gleiches gilt dann für seine Kinder.

Insofern wird sich zukünftig der Minijob nicht mehr lohnen. Zu überlegen bleibt, ob man für einen höheren Lohn und mehr Stunden arbeitet, um in der normalen gesetzlichen Versicherung versichert zu sein.

Luxemburg ist natürlich daran interessiert, seine Sozialkassen zu entlasten und besteht aktuell auf die Anwendung der EU-Richtlinie 883/2004.

Für die Grenzgänger gibt es daher wieder neue Probleme, auf die sie sich einstellen sollten.

 

Luxemburger Arbeitslosengeld für deutsche Grenzgänger kommt so schnell nicht

In der letzten Legislaturperiode wurde im Europäischen Parlament über eine Richtlinie diskutiert bezüglich des Arbeitslosengeldes für Grenzgänger. Aktuell erhalten Grenzgänger das Arbeitslosengeld im Wohnsitzland. Der Vorschlag, das Arbeitslosengeld im Beschäftigungsstaat nach dessen Rechenregeln zu zahlen, kam bei deutschen Grenzgängern sehr gut an. Denn das Arbeitslosengeld in Luxemburg beträgt 80 % des Bruttolohns und liegt damit in den meisten Fällen doppelt so hoch wie in Deutschland.

Allerdings hatte  – nicht nur – die luxemburger Arbeitsverwaltung hiergegen schon frühzeitig protestiert. Zum einen hätte man gar nicht die Mitarbeiter, um diese Anträge zu bearbeiten. Zum anderen würde das den finanziellen Rahmen sprengen. Außerdem sei das Auseinanderfallen von Leistung und Vermittlung problematisch. Letztendlich kam es in der letzten Legislaturperiode dann nicht zur Verabschiedung der Direktive. Das neue Parlament solle sich damit erneut befassen.

Sinnigerweise ist nun Nicolas Schmit, der ehemalige Arbeitsminister in Luxemburg, zum EU-Kommissar gewählt worden. Derjenige, der also vormals gegen die Reform Bedenken anregte, sitzt nun am Ruder. Er hat schon erklärt, dass er eher einen Kompromiss erzielen wolle. Das bedeutet also für die deutschen Grenzgänger dann eher nichts Gutes.

Es sieht also so aus, dass das luxemburgische Arbeitslosengeld für Grenzgänger in weite Ferne gerückt ist.

 

 

Ist Wartegeld eine Rente?

Eine Grenzgängerin erhielt luxemburgisches Wartegeld. Als sie parallel dazu in Deutschland eine Erwerbsminderungsrente beantragte, wurde sie aus der luxemburger Sozialversicherung ausgeschlossen. Insbesondere wurde dies damit begründet, dass das Wartegeld eine Rente darstelle. Wird gleichzeitig auch eine Rente aus Deutschland beantragt, geht das deutsche Sozialversicherungsrecht vor.

Hiergegen erhob die Grenzgängerin Klage. Das Sozialgericht Trier hat noch nicht entschieden.

Zum 01.01.2016 wurde das Wartegeld zwar gesetzlich geändert. Bezüglich der Verwaltung durch die ADEM änderte sich aber nichts.  Dies hat dann zur Folge, dass trotz Antrages auf deutsche Erwerbsminderungsrente weiterhin die luxemburgische Sozialversicherung bestehen bleibt. Im vorliegenden Fall ist entscheidend, ob das Wartegeld nach altem oder neuem Recht besteht. Die Sache wird in Kürze entschieden.

 

 

Rentenantrag so spät wie möglich stellen

Viele ehemalige Grenzgänger beziehen schon eine luxemburgische Rente  mit 57 oder 60 Jahren. Die deutsche Rente wird erst ab dem 65. Lebensjahr fällig. Es wird im Allgemeinen von der Rentenversicherung angeraten, den Rentenantrag 6 Monate vorher zustellen, damit die Mitarbeiter der Rentenversicherung genügend Vorlauf haben.

Dies hat jedoch einen Haken: Sobald der Antrag auf die deutsche Rente gestellt wird, fällt die deutsche Sozialversicherung an – nicht also erst, wenn die Rente auch fließt. In Luxemburg zahlen die Rentner nur 3 % für Krankenversicherungsbeiträge, in Deutschland rund 10 %.

Es wird Rentnern daher angeraten, ihren Antrag auf deutsche Rente so spät wie möglich zu stellen, um sich dann für mehrere Monate die höheren deutschen Krankenversicherungsbeiträge zu ersparen.

 

 

Neue Richtlinie zur Sozialen Sicherheit wird kommen

Für Grenzgänger gilt derzeit die EU-Richtlinie 883/2004, die letztmals am 1. Mai 2010 geändert worden war.

Aufgrund der Änderungen der realen Welt, des Arbeitsmarktes und letztlich auch aufgrund vieler neuer
Urteile des EuGH, ist eine Anpassung notwenig.

Die Kommssion hat einen Entwurf vorbereitet.

Es wird also Änderungen geben zum Arbeitslosengeld und den Familienleistungen.

Geplant ist beispielsweise, dass Grenzgänger dann das Arbeitslosengeld aus Luxemburg erhalten,
wenn sie mindestens 12 Monate in Luxemburg pflichtversichert sind. Tritt die Arbeitslosigkeit
vor 12 Monaten ein, zahlt der Wohnsitzstaat das Arbeitslosengeld.

Änderungen soll es auch bei der Entsendung sowie Beschäftigung in mehreren Staaten geben.
Auch hiervon sind viele Grenzgänger betroffen. Hier steht die Kooperation und Mißbrauchsbekämpfung
im Focus der Änderungen.

Leider gibt es auch neuere Entwicklungen im Bereich des Betrugs. Formulare A1 werden sogar gefälscht.
Daran erkennt man, die Bedeutung der Sozialversicherung im Rahmen von unternehmerischer Finanzplanung.
Zudem bestehen Zweifel mehrerer Tätigkeitsstaaten oft auch an der rechtlichen Richtigkeit der ausgestellten Versicherungsdokumente durch die Entsendebehörde. Zur Mißbrauchsbekämpfung finden schon regelmäßig
Treffen der Behörden statt.

In der Praxis bestehen daher noch erhebliche Schwierigkeiten bei der Koordination der nationalen
Sozialversicherungssysteme.

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Neue Urteile des EuGH zum Sozialversicherungsrecht 2016-2017

1. C-623 Ruyter vom 26.2.2015

Nach Art. 13 ist es möglich Sozialversicherungsbeiträge auch auf Kapitalerträge zu erheben.
Es kommt nicht darauf an, wie der Beitrag genannt wird. Der Beitrag kann also auch über
eine Steuer erhoben werden.

2. C-269/15 Hoogstad vom 26.10.2016

Beiträge wurden auf private Zusatzrenten erhoben. Es handelte sich nicht um gesetzliche Renten.
Dennoch wollte die belgische Sozialversicherung darauf Beiträge erheben.
Es geht also um die Bemessungsgrundlage.

Der EuGH hat bestätigt, dass die Abgabe verwendet wird für die Sozialversicherung in Belgien.
Hoogstadt war jedoch schon Rentner und lebte zwischenzeitlich in Irland. Nach Art. 11 Abs. 3
war jedoch das irische Gesetz anwendbar.

Der Mitgliedsstaat darf Beiträge von Rentner erheben. Mangels einer gesetzlichen Rente
fiel er nicht in den Anwendungsbereich der Koordinierungsregeln.

3. C-690/15 de Lobkowicz vom 10.5.2017

EU-Beamte unterliegen nur dem Sozialversicherungssytem der EU.
Es können also keine Beiträge von ihnen erhoben werden, beispielsweise aus Vermietungserträgen.

Die Mitgliedsstaaten sind also weder zuständig für die Steuererhebung
noch Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen.

4. C-465/14 Wieland & Rothwangl vom 27.10.2016

Zwei österreichische Matrosen arbeiteten auf einem Schiff in den Niederlanden in den 60er Jahren.
Nach dem Beitritt Österreichs zu EU erhofften sie sich eine Rente.

Der EuGH urteilte, dass die VO 1408/71 zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwendbar war.
Damals galten allerdings andere Vorschriften.

Da es wenige österreichische Matrosen gibt, waren die Fernwirkungen gering.


5. Commission v UK, vom 14.6.2016

Hier ging es um um nicht aktive Personen. Ansprüche auf Kindergeld hingen
in England ab von der Frage des Wohnsitzes.

Die Kommission sah dies als Verstoß gegen Art. 4, Diskriminierung an. Nach Art. 11 Abs. 3
darf jedoch keine Versicherungslücke bestehen, also das weder das eine noch das andere Land eintritt.

Das Recht auf Sozialleistung dürfe nicht abhängig gemacht werden von einer Wohnsitzanforderung,
so jedoch das britische Recht. Hier hatte also ein Meldegesetz den Anspruch auf Sozialleistung ausgeschlossen.

Der EuGH hat nicht das Recht auf die Wohnsitznahme geprüft. Er ging nur ein auf die Verhältnismäßigkeit,
also zwischen dem Ausschluss des Wohnsitzes und dem Recht auf Sozialleistung.

Das Urteil wird in der Fachwelt als kritisch angesehen.

6. C-430/15 Tolley vom 1.2.2017

Frau Tolley erhielt eine englische Pflegeleistung und zog um nach Spanien.

Hierbei handelt es sich also nicht um eine Krankheitsleistung.

Fraglich war, ob die Pflegversicherung auch Leistungen in Sapnien zahlen muss.
Nach Art. 22 1b grundsätzlich zunächst ein Antrag gestellt werden müssen.

Der EuGH hat entschieden, dass in diesem Fall der Antrag unnötig ist.
Dieser würde dem Zweck der Vorschrift widersprechen.


7. C-620/15 A-Rosa-Flussschiff vom 27.4.2017

Es geht um ein falsch erstelltes Formular A1.
Es ging um die Frage, ob das Formular E 101 für ausländische Behörden bindend ist,
obwohl es juristisch falsch ausgestellt wurde.

Der EuGH hat entschieden, dass das Formular die Behörden bindet
trotz materiell-rechtlicher Fehlerhaftigkeit.

Das Urteil wurde in Presse als kontraproduktiv gegen Betrug gesehen.

Ursprünglich wurde das Formular zunächst als Vorstufe angesehen zur Vorlage im Tätigkeitsstaat.
Es hat bindende Wirkung, weil es dazu dienen soll, die Freizügigkeit zu gewährleisten.
Es soll nur ein einziges Sozialsystem gelten. Das alles sollte auch der Rechtssicherheit dienen.

Bei Zweifeln
 kann das Aufnahmeland Rückfragen an die Entsendebehörde stellen.
Die Entsendebehörde muss dann nach erneuter Überprüfung den Akt zurücknehmen.
Nur diese Behörde ist zuständig. Die Staaten und Behörden müssen hierbei loyal zusammenarbeiten.

Im A-Rosa-Fall war der Fehler noch gravierender. Die Firma sitzt in der Schweiz.
Die Schiffe fuhren nur in Frankreich. Die französische Behörden stellen fest, dass
die Matrosen nicht sozialversichert waren.
Darauf stellen die Schweizer Behörden das Formular E 101 aus – jedoch falsch,
da die Matrosen allein in Frankreich tätig waren. Gegen A-Rosa wurde ein Bußgeld
über 2 Millionen Euro ausgestellt.

Das französische Gericht legte die Sache dem EuGH vor.
Der EuGH entschied, dass das Formular die französischen Behörden bindet.
Es ging nicht um Betrug oder Mißbrauch.

In einem anderen EuGH-Verfahren hatte ein Unternehmen in Bulgarien ein Briefkastenunternehmen
gegründet und die Arbeiter zum Schiffsbau nach Belgien entsendet. In Bulgarien war also praktisch
kein Unternehmen vorhanden. Hier lag Betrug vor. Die bulgarischen Behörden reagierten nicht auf
Anfragen von Belgien. Nach Steuerrecht gibt es nach EuGH-Urteilen die Möglichkeit für diesen Fall
als Behörde einseitig zu handeln und zu entscheiden.

Die zuständigen Behörden in den Aufnahmeländer können also nur die Zweifel
bei der Ausstellungsbehörde anbringen.


8. C-356/15 Commission vs. Belgien, noch nicht entschieden

Belgien hatte ein zweifelhaftetes Entsendeformular für nichtig erklärt.


9. C-187/15 Pöpperl vom 13.7.2016

Ein deutscher Beamter hatte gekündigt und verlor dadurch 2/3 seiner Pension.
Er arbeitete im Ausland weiter. Hier ist zu fragen, ob vergleichbare Personengruppen gleich behandelt.
Ein Umzug ins Ausland darf jedoch nicht entscheidend sein für den Entzug von Pensionsansprüchen.


10. 4-466/15 Adrien vom 6.10.2016

Eine Entsendung darf nicht dazu führen, dass Ansprüche aus diesem System verloren gehen.
Damit ist die Freizügigkeit gefährdet. Mobilität innerhalb der EU darf also nicht bestraft werden.

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Änderungen bei der Entsendung kommen

Art 12 regelt die Entsendung im Sozialrecht.

Es gibt schon Unterschiede zu der Definition im Arbeitsrecht.

Daher sieht der Vorschlag der Kommission eine Angleichung der Definition im Sozial- und Arbeitsrecht vor.

Insbesondere geändert werden soll die Sanktionen bei Verstößen.
Eine Entsendung ist nicht möglich, wenn dadurch ein bereits entsendeter
Vorgänger ersetzt werden soll. Nach einer 2monatigen Pause ist eine
Entsendung wieder möglich werden.

Außerdem ist eine Entsendung erst möglich, wenn der Arbeitnehmer zuvor
1 Monat am Sitz des Entsendeunternehmens gearbeitet hat.

Die Regel soll künftig auch angewendet werden auf die Ersetzung von Selbständigen,
um Mißbrauch zu vermeiden.

Die Zusammenarbeit der Behörden soll verbessert werden.
Das Formular A1 muss also neu ausgestellt werden.
Hier können Verzögerungen entstehen.
Liegt das Formular nicht vor, gilt der Entsendete als nicht versichert.
Es soll die Möglichkeit geschaffen werden, das Formular früher beantragen zu können.

Die Kontrolle der Wartefristen sind kaum möglich.
Hier sollen Sanktionen bei Verstößen eingeführt werden.

Das Formular A1 hat eine absolute Bedeutung. Ohne Formular ist man nicht versichert.
Es gibt EU-Länder, die einen Verstoß mit Gefängnis bestrafen.

Auch Briefkastenfirmen werden künftig nicht mehr anerkannt.
Auch dieses Problem gibt es in Luxemburg. Wenn also eine Firma in Luxemburg keine
substantielle Tätigkeit ausübt, und der Mitarbeiter außerhalb Luxemburgs eingesetzt wird,
wird künftig das lux. Sozialrecht nicht mehr gelten.

Bei Mißbrauch wird das Formular A1 entzogen mit der Folge, dass eine Versicherung nicht besteht.

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Änderungen bei Leistungen bei Arbeitslosigkeit

22.5.2017

Nach viel Kritik an den EU-Regeln sowie Urteilen des EuGH, sind hier Änderungen vorgesehen.
Das genaue Datum des Geltungsbeginns steht noch nicht fest.

Es werden auf Vorschlag der Kommission Abweichungen zu den aktuell geltenden Vorschriften eingeführt.

ALG setzt voraus, dass bestimmte Zeiten angesammelt wurden.
Die Richtlinie regelt eine Zusammenrechnung von in verschiedenen Staaten
zurückgelegten Versicherungszeiten.

Die Zusammenrechnung sichert das Recht auf Freizügigkeit (Art. 61).
Da Staaten jedoch unterschiedliche Gewichtigungenvon Zeiten regeln,
ist die Koordinierung naturgemäß schwierig.
Art. 61 Abs. 1 soll nun gestrichen werden. Es geltend damit die allgemeinen Regeln.

Dadurch sollen insbesondere Grenzgänger abgesichert werden.

Unmittelbar vor der Antragstellung müssen bestimmte Zeiten erfüllt werden.
In manchen Ländern genügt 1 Tag, in anderen 1 Monat als Vorversicherungszeit.

Neu soll eine geregelte Mindestzeit von 3 Monaten eingeführt werden.
Erst dann soll das Zusammenrechnungsprinzip geltend. Werden die 3 Monate nicht erreicht,
richtet sich der Anspruch gegen den Mitgliedsstaat, in dem zuvor die Ansprüche möglich sind.
Voraussetzung ist natürlich, dass der Anspruchssteller dann auch diesem Arbeitsmarkt zur Verfügung
stehen muss.

Für Grenzgänger gilt Art. 65. Die Kommission hatte schon früh dafür plädiert,
dass der Beschäftigungsstaat das Arbeitslosengeld leistet. So kam es allerdings nicht.
Der Wohnsitzstaat wurde zuständig.

Ein unechter Grenzgänger, der also nicht täglich nach Hause fährt, könnte sogar
in den Beschäftigungsstaat – nach Luxemburg – umziehen, um dann dort ALG zu erhalten.
Diese Überlegung wäre interessant für Grenzgänger, die eine Zweitwohnung in Grenznähe haben.

Das Kostenerstattungsverfahren regelt lediglich einen Kostenausgleich zwischen den Staaten.
Dieses Verfahren hat bislang noch keine positive Kritik erfahren.

Ein Wahlrecht gibt es nicht. Das wäre gerade bei Luxemburg-Grenzgänger eine eindeutige Wahl.
Denn das ALG in Luxemburg ist viel höher, als in Deutschland.

Das Grundprinzip soll künftig lauten: Wenn eine Beschäftigung von 12 Monaten vorlag,
zahlt der Beschäftigungsstaat. Das wäre wieder ein gutes Argument, Luxemburg-Grenzgänger
zu bleiben bzw. zu werden. (Die Steuerreform 2017 hat verheiratete Grenzgänger benachteiligt).

Das hört sich zunächst gut an. Was Grenzgänger aber selten wissen: Bei fristlosen Kündigungen
 hatte die Arbeitsagenturoftmals dennoch am dem ersten Tag Arbeitslosengeld gezahlt, wenn der
Grund dem deutschen Recht widersprach. Der Klassiker: Fristlose Kündigung wegen zu spät
eingereichter Krankmeldung. Künftig würde dann aber luxemburger Recht geltend und die
Sperre bleibt in jedem Fall bestehen.

Vorläufiges Arbeitslosengeld wird in Luxemburg nur gezahlt aufgrund eines Gerichtsurteils.
In Deutschland konnte man das bei guter Argumentation erreichen.

Hinzutritt ein weiterer Nachteil: Gewinnt man ein Verfahren gegen das deutsche Arbeitsamt,
zahlt dieses die Anwaltskosten. Eine Rechtsschutzversicherung tritt nur im Klageverfahren ein.
Bei Streitigkeiten mit der ADEM greift eine deutsche Rechtsschutzversicherung nicht ein.

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Pflegeleistungen – status quo und zukünftige Änderungen

Pflegeleistungen werden in der Richtlinie kaum erwähnt, sind dennoch geregelt.
Der EuGH hat hierzu Urteile gefällt.

Die Pflegeversicherung wurde in den 1990er Jahren eingeführt.
Eine Trennung von der Krankenversicherung wurde vorgenommen.

Entscheidend ist der Pflegeaufwand. Die Leistungen sind nach der EU also auch zu exportieren.
Dabei ist die Pflege ein eigenständiger Versicherungsbereich und kein kostenloses Anhängsel
an eine andere Versicherung.

Der EuGH hat zum Beispiel entschieden, dass es keine Kostenerstattung gibt,
wenn man in ein ausländisches Pflegeheim geht. Denn das wäre ein Übersiedlung in das andere Land.

Zuständig ist das Land der Pflichtversicherung.

Die Änderungen sollen die Pflegeleistungen genauer definieren.
wird also weiterhin Geld- und Sachleistungen geben.

Geldleistungen ohne Bestimmungen bleiben Geldleistungen,
wird davon eine Dienstleistung bezahlt, handelt es sich um Sachleistungen.

Luxemburg-Rentner, ehem. Grenzgänger, erhalten grundsätzlich Pflegeleistungen aus Deutschland.

Es gibt Unterschiede zum Krankenversicherungssytem,
da hier immer nach der Erforderlichkeit gefragt wird.

Wer jedoch Urlaub macht, sollte auch dort kurzfristige wichtige Pflegeleistungen
in Anspruch nehmen können.

Belgien kennt nur Geldleistungen, die Niederlande nur Sachleistungen.
Deutschland kennt beides. Die Koordination ist also noch schwierig.

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EU-Leistungen für nicht berufstätige EU-Bürger?

Die Freizügigkeit in der EU gilt auch für Bürger, die nicht berufstätig sind.

Leistungen können indes nur bezogen werden nach 3 Monaten Aufenthalt
und wenn man grundsätzlich dem Gastland wirtschaftlich zur Last fällt.

Es soll ja tatsächlich Leute geben, die nur noch davon Leben, ihr Vermögen zu verwalten
oder Kapitalerträge erzielen.

Eine andere Gruppe sind die armen Sozialtouristen, ein Hauptgrund für den Brexit.

Der EuGH hat 2013 im Urteil Brey entschieden, dass die nicht beruftätigen
EU-Bürger alle Freiheiten genießen.

Im Allgemeinen orakelt der EuGH jedoch und legt sich nicht eindeutig fest.

Die Kommission hat folgenden Änderungsvorschlag:

Eine wirtschaftlich inaktive Person wird neu definiert.
obsucher sind damit nicht gemeint.

Es muss geprüft werden, ob die beanspruchte Sozialleistung den
Aufnahmetest übermäßig belastet.

Im Ergebnis wird der Sozialtourismus erheblich eingeschränkt,
da der Herkunftsstaat primär für Sozialleistungen verantwortlich ist.
Europa soll kein Staat der Umverteilung werden.

22.5.2017

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Viele Luxemburger-Rentner zahlen nicht an die deutsche Krankenkasse

Spätestens seit dem 01.07.2011 gilt innerhalb der EU folgende Regel:

Beziehen Rentner Ruhegelder aus verschiedenen EU-Staaten, muss im Wohnsitzstaat
die ausländische Rente mitherangezogen werden, um die Beiträge an die Kranken-
und Pflegeversicherung
 zu berechnen.

Konkret bedeutet dies, dass ein Luxemburg-Grenzgänger, der aus beiden Staaten Renten bezieht,
sei es Erwerbsunfähigkeitsrenten oder Altersrenten, sich bei seiner deutschen Krankenkasse melden muss.
Er muss mitteilen, dass er eine luxemburger Rente bezieht. Die deutsche Krankenkasse ermittelt dann
daraus seinen Zusatzbeitrag in die deutsche Krankenversicherung, der bei 10,2 % liegt.

Das System ist allerdings noch mangelhaft insofern, dass die Krankenkassen nicht selbst von diesen
Renten erfahren. Jedenfalls gibt es keine direkten Meldungen aus dem Ausland dorthin.

Daher bleiben den Krankenkassen hier auch die Hände gebunden. Viele Luxemburg-Rentner kennen
dieses System nicht oder aber es ist ihnen bekannt und sie melden sich nicht freiwillig bei der Krankenkasse. 

Leider führt dies dann zu einem Gerechtigkeitsgefälle. Die Ehrlichen sind wieder einmal die „Dummen“.

Es gibt das Gerücht, man müsse auf eine Nachricht der Krankenkasse warten. Von Jahr zu Jahr verjähre
dann wieder ein Jahr, für das man dann glimpflich davon kam.

Zumindest eine Strafbarkeit für dieses Fehlverhalten ist fraglich. Wenn die Mehrzahl der
Luxemburg-Grenzgänger ungeschoren davon kommt, können die Wenigen nicht für ihr Fehlverhalten
bestraft werden. Unabhängig davon müssen sie natürlich die Beträge nachzahlen.

Anders als im Steuerstrafrecht gibt es jedoch keine Hinterziehungszinsen.

Dieses Problem müssen die Sozialkassen angehen, um das Gerechtigkeitsgefühl
der Grenzgänger nicht zu verletzen.

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Probleme bei der Rückabwicklung von Versicherungsverhältnissen von Grenzgängern

In der Grenzregion kommt es immer wieder vor, dass aufgrund einerBetriebsprüfung
der Rentenversicherung der Sozialversicherungsstatus
von Mitarbeitern geändert wird.

In Luxemburg angemeldete Mitarbeiter erfüllen nicht die Voraussetzungen der EU-Richtlinie 883/2004,
d. h. sie arbeiten mehr als 25 % im Wohnsitzland Deutschland. Diese werden dann rückwirkend von der
luxemburger Sozialversicherung abgemeldet. Gleichzeitig muss der Arbeitgeber rückwirkend Beiträge
in das deutsche Rentensystem einzahlen.

Wie steht es nun mit der Rückabwicklung in Luxemburg?

In einem aktuellen Fall beruft sich die CCSS auf die 5-jährige Verjährungsvorschrift.
Dem Arbeitgeber wurden die Beiträge daher nur für die letzten fünf Jahre zurückerstattet,
nicht aber für den ganzen Prüfungszeitraum. Im konkreten Falle ging es um mehrere EUR 100.000,00.

Muss der Arbeitgeber sich damit zufriedengeben?

Die Lösung ergibt sich aus der oben genannten EU-Richtlinie. Sinn der Richtlinie
ist die Harmonisierung der nationalstaatlichen Sozialversicherungsgesetze.
Es darf folglich keine Mehrbelastung für die Akteure aufgrund der Grenzen entstehen.

Dies ergibt sich aus dem Sinn, insbesondere aus den Grundsätzen in der Präambel der EU-Richtlinie.

Würde man das Ergebnis also so stehen lassen, hätte der Arbeitgeber für den gleichen Zeitraum
in zwei verschiedene nationale Rentensysteme eingezahlt. Er wäre somit doppelt belastet.
Dies ist durch die EU-Richtlinie nicht gewollt. Hier ist auch ausdrücklich geregelt, dass es nur
eine Zuordnung zu einem Land geben darf, nicht jedoch zu zwei Ländern.

Davon unabhängig ist die Frage, ob der betroffene Arbeitnehmer durch diese Regelung eine
Doppelrente für den gleichen Zeitraum in zwei Ländern erhielte.

Ebenfalls nicht gewollt sein kann es, dass sich nationalen Sozialversicherungen durch die
sozialrechtliche Problematik durch Verjährungsvorschriften bereichern, also Beiträge einbehalten
ohne Gegenleistungen zu erbringen.

Die Angelegenheit wird derzeit von der CCSS, aufgrund unserer Intervention hin, neu geprüft.

Die Fälle sind durchaus in der Grenzregion nicht selten. Wir werden über das Ergebnis berichten.

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Was versteht man unter EU-Sozialversicherung?

Wenn es eine Vereinheitlichung in Europa gibt, dann im Sozialversicherungsrecht.

Die Freizügigskeitsrechte haben dazu geführt, dass Arbeitsnehmer in Europa frei eine Arbeit
wählen können. Dadurch entstehen grenzüberschreitende Probleme. Die EU hat diesbezüglich
Richtlinien erlassen, die zu einer einheitlichen Rechtspraxis führen sollen.

Aufgrund der unterschiedlichen nationalen Rechte ist eine Koordination zwischen den Ländern
jedoch immer mit Problemen behaftet.

Die EU steuert immer nach, um die Probleme zu beheben. Der EuGH entscheidet regelmäßig
zu diesen Rechtsproblemen.

Betroffen sind die Rechtsgebiete:

1. Arbeitsrecht
2. Krankenversicherung
3. Arbeitslosengeld
4. Familienleistungen
5. Rentenversicherung, inklusive Waisen-,  Witwen und Invalidenrenten.

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Neue Urteile des EuGH zum Sozialversicherungsrecht aus den Jahren 2015 und 2016

1. Knauer, 21.1.2016, C-453/14

Krankenversicherungsbeiträge können auch auf ausländische Renten erhoben werden.
Die ausländische Rente muss der inländischen gesetzlichen Rente, 1. Säule,  entsprechen
(gleicher Natur sein). Gestritten wurde um die Definition der gleichen Natur.

Konkret wurde entschieden, ob eine Liechtensteiner Rente der österreichen Rente entspricht.

Dass die deutschen Krankenkassen die luxemburger gesetzliche Rente verbeitragen dürfen, ist bereits geklärt.

2. Van Dijk, 9.9.2015, C-72/14 und C-197/14

Die luxemburger CCSS hatte ein Formular E 101 (heute A1)  ausgestellt für einen Rheinschiffer.
Die Sozialversicherung von Rheinschiffern ist in einem Multilateralen Abkommen geregelt.
Die Frage war, ob ein A1 überhaupt in einem solchen Fall ausgestellt werden darf bzw. bindend ist,
obwohl das A1 voraussetzt, dass 2 EU-Staaten tangiert sind.

Der EuGH hat entschieden, dass die anderen Staaten daran nicht gebunden sind.

3. Wieland und Rothwangl, Schlussantrag des Generalanwalts vom 4.2.2016, C-465/14

Die Frage ist, ob Drittlandsangehörige keinen Anspruch auf Altersrente haben.
Es ging noch um die alte Verordnung 1408/71.
Die Niederlande hatte Regeln, wonach Drittstaaten (hier konkret österreichische Matrosen)
keinen Rentenanspruch erworben hatten.

Der Generalanwalt meint, dass die Niederlande das Recht haben, diesen Ausschluss zu regeln.

4. Garcia-Nieto und andere, 25.2.2016, C-299/14

Eine spanische Familie (2 Eltern udn 3 Kinder) zog nach Deutschland.
Beide Eltern arbeiteten. Zwischendurch waren sie auch arbeitslos.
Das Gericht letztlich, dass das Deutschland das Recht hatte, Sozialleistungen,
die beitragsunabhängig sind, zu verweigern.


5. Commission gegen Zypern, 21.1.2016, C-515/14

Nach dem Recht von Zypern verlor ein Staatsangestellter seine Pensionsansprüche,
wenn er mit weniger als 45 Jahren aus dem Staatsdienst ausscheidet. Damit sollten die
Bediensteten eigentlich im Staatsdienst gehalten werden.

Der EuGH sieht diese Regelung als unionsrechtswidrig an.


6. Trapkowski, 22.10.2015, C-378/14

Bekommt auch die geschiedene Frau des Grenzgängers Kindergeld? Der EuGH hat das bejaht.
Trotz Scheidung werden die Beteiligten als Familie angesehen. Das Kind muss geschützt werden.

Das Verfahren ist für Luxemburg-Grenzgänger geklärt und funktioniert schon so.


7. Fischer-Lintjens, 4.6.2015, C-543/13

Eine niederländische Rente wurde rückwirkend um 12 Monate vorgezogen.
Eine rückwirkende Krankenversicherung war aber nur 4 Monate möglich.
Es entstand eine Versicherungslücke.

Die beiden Systeme Rente und Krankenversicherung waren nicht aufeinander abgestimmt.

Eine solche Lücke ist unionsrechtswidrig.

8. OMEM, 7.4.2016, C-284/15

Ein tschechischer Musiker zog nach Belgien und beantrage Arbeitslosengeld,
was ihm verweigert wurde, weil er vorher nie in Belgien tätig war.

Auch eine Teilzeitbeschäftigung führt nicht zu einem Anspruch.

Der EuGH hat die Gesetzeslage in Belgien bestätigt.

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Arbeitslosengeld für Grenzgänger

Der Focus Arbeitsverwaltungen zielt darauf ab, dem Arbeitslosen eine neue Stelle zu vermitteln.

Das Arbeitslosengeld ist ein Benefit, der während dieser Zeit gezahlt wird. Oftmals werden Leistungen
zu Unrecht abgelehnt und nach einem Widerspruchsverfahren dennoch gewährt. Die Arbeitsverwaltung
ist verpflichtet, Geld einzusparen. Daher diese Grundhaltung.

Es ist also nicht so, dass die Arbeitsverwaltung allein den Focus hat, das Arbeitslosengeld auszuzahlen
und zu verwalten.

1. Anzuwendende Vorschriften 

Die Richtlinie 883/2004 regelt in Kapitel 6 die Arbeitslosenversicherung


2. Zusammenrechnung der Sozialversicherungszeiten 

Die Beschäftigungszeiten, die der Grenzgänger in EU-Staaten arbeitet, werden innerhalb der EU
zusammengerechnet, wenn es darum geht, dass Ansprüche von der Dauer der Versicherungszeit abhängen.

Wenn das eine Land nur Beschäftigungszeiten kennt und in dem anderen nur mit Versicherungszeiten
gerechnet wird, entstehen Problem. Die beiden Länderrechte müssen dann aufeinander abgestimmt werden.

Das gilt auch dann, wenn keine Beiträge in eine Arbeitslosenversicherung in dem Beschäftigungsland gezahlt werden
oder in dem dortigen Sozialsysteme grundsätzlich nur ein Betriebsunfall durch die Beiträge versichert ist.

In Luxemburg werden beispielsweise gar keine Beiträge eingezahlt bzw. vom Bruttlohn berechnet.
Vielmehr erfolgt die Finanzierung des Arbeitslosengeldes über die Steuer.

Um zu einer Zusammenrechnung zu kommen, muss in den meisten Ländern mindestens eine Versicherungszeit
von einem Tag bestanden haben. In manchen Ländern wird eine Woche vorausgesetzt.
Das ist nicht wirklich ein Zeitraum, der zu einer Integration in den Arbeitsmarkt taugt,
sondern eine reine theoretische Verwaltungsvorschrift.

Nach luxemburger Recht muss man mindestens 16 Stunden bei einem Arbeitgeber arbeiten,
um einen Anspruch auf Arbeitslosengeld zu haben.

3. Zuständigkeit des Wohnsitzlandes

Hintergrund dieser Regelung ist, dass ein Betreuung des Arbeitslosen  besser möglich bei räumlicher Nähe.
Der Arbeitslose muss ja auch regelmäßig beim Arbeitsamt vorsprechen. Daher wäre es umständlich,
wenn er dazu weite Reisen auf sich nehmen müßte. Diese Regelung soll also eigentlich verbraucherfreundlich sein.

Was geschieht bei einem Wohnsitzverlegung  in ein anderes Land? Dort gibt es meistens
Mindestversicherungszeiten, sodass im Einzelfall ein Anspruch auf Arbeitslosengeld aus dem
neuen Wohnsitzland noch nicht besteht.


4. Höhe des Arbeitslosengeldes

Die Höhe des Arbeitslosengeldes bestimmt sich nach den
nationalen Bestimmungen des zuständigen Arbeitsamtes.

Das luxemburger Arbeitslosengeld beträgt achtzig Prozent des letzten Bruttolohnes.
Es wird wie ein Lohn auf einer Lohnsteuerkarte abgerechnet.
Es werden also Sozialversicherungsbeiträge und gegebenenfalls auch Steuern darauf abgerechnet.
Im Steuerrecht stellt das Arbeitslosengeld keine Progressionseinkünfte, sondern lohnähnliche Einkünfte.

Das deutsche Arbeitslosengeld wird nur netto abgerechnet. Es erfolgt keine wirkliche Beitragszahlung
in die Sozialversicherung, sondern nur eine fiktive Einzahlung, jedoch Berücksichtigung. Steuern werden
nicht abgeführt. In der Steuererklärung wird der Beitrag nur unter Progressionsvorbehalt berücksichtigt.

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Familienleistungen für Grenzgänger

I. Was sind Familienleistungen ?

Familienleistungen ergeben sich aus den Unterhaltsrechten der Kinder gegen die Eltern.

1. Kindergeld

2. Erziehungsgeld und Elterngeld

Das Recht auf Elterngeld ist ein individueller Anspruch des Elternteils ( Art. 68b).
Nur der Elterngeld kann also den Antrag stellen. 

Die Leistungen werden für die Erziehung von Kindern vergeben. 

3. Beihilfe zur häuslichen Kinderbetreuung

Eltern, die ihre Kinder nicht in den Kindergarten schicken, sondern zu Hause selbst betreuen wollen,
erhalten eine Behilfe. Finnland hatte eine entsprechende Beihilfe eingeführt, später wollte auch Deutschland
eine ähnliche Hilfe einführen.

Der EuGH hat entschieden, dass es sich um eine Familienleistung handelt, die auch an Grenzgänger
vergeben werden muss.

4. Steuerliche Vergünstigungen 

In manchen Ländern werden Vergünstigungen für Kinder gewährt.

In Luxemburg wurde ein Kinderbonus gewährt. Dieser wurde noch nicht als Familienleistung angesehen,
ist es jedoch nach dem Verständnis der Richtlinie.


5. Sachleistungen

Österreich hatte eine Fahrpreisermäßigung für Studenten vorgesehen.
Auch diese wurde vom EuGH als Familienleistung angesehen (C-75/11).

6. Nicht dazu zählen:

Ausbildungsförderungen

Die luxemburger CEDIES – Vorschriften (ähnlich Bafög) unterliegen also nicht der Richtlinie.

Ebensowenig gehören Geburtshilfen, Mutterschaftsgeld oder Adpotionsvorschriften zur Richtlinie.

II. Grundprinzipen

1. Die Leistungen gehen auch an Familienmitglieder, die in anderen Mitgliedsstaaten wohnen

Zum einen ist entscheidend, wer nach den nationalen Vorschriften antragsberechtigt ist.
Letztlich muss das Geld aber an die Person gezahlt werden, die das Kind betreut.
Die Personen können also auseinanderfallen.

Probleme entstehen also bei Scheidungsfällen.

2. Bei doppelter Zuständigkeit gibt es Vorrangregeln

Bei Grenzgängern nach Luxemburg besteht ein Anspruch auf die höhere luxemburger Leistung per Saldo.
Arbeitet ein Elternteil in Deutschland, muss Deutschland Kindergeld zahlen.
Luxemburg zahlt dann nur noch die Differenz.

Es gilt die Zweikorb-Therie des EuGH.

Der EuGH hat entschieden, dass Elterngeld und Kindergeld nicht zu kumulieren sind,
wenn die Differenz zu berechnen ist (Wiering C-347/12).

3. Vorrangig ist der Beschäftigungsstaat

Es wird fingiert, dass das Kind in dem Staat leben würde.

Die bislang angedachte Indexierung der Familienleistungen wird daher nicht kommen. 

4. Ansonsten ist der Wohnstaat zuständig

III. Neuregelung durch die Kommission in 2016 wird erwartet

Es wird neue Defintionen geben, um Probleme zu klären. Beispielsweise soll
ein child benefit eingeführt werden, also eine Kinderleistung – in Abgrenzung zur Familienleistung.

Derzeit gibt es immer  noch Streit unter den Staaten, was unter einer Familienleistung zu verstehen ist.

Jedes Land hat eigene Ansprüche, wie hoch die Familienleistung sein muss bzw. welche Kosten
davon gedeckt werden sollen.

Das höchste Kindergeld innerhalb der EU zahlt Luxemburg.

Das Niveau der Leistungen vor Ort wird daher zukünftig berücksichtigt, wenn es um den
Export von Familienleistungengeht. Es soll also eine Indexierung geben bzw. Anpassung
an den Lebensstandard (Lebenshaltungskosten) im Empfängerland. 

22.5.2017

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Wer hat Anspruch auf beitragsunabhängige Sozialleistungen?

Lohnt es sich für nichtbeschäftige Deutsche, nach Luxemburg zu ziehen,
weil man dann dort besser sozial versorgt ist? Die Frage ist schon deshalb Theorie,
weil die Wohnungspreise dort zwei bis dreimal teurer sind. In vielen anderen EU-Ländern
wird die Frage jedoch heftig diskuiert, um Sozialtourismus zu unterbinden.

Der EuGH hat entschieden, dass Sozialtourismus, also der Zuzug aus dem EU-Ausland
nach Deutschland, nicht dazu führt, dass jedwede Sozialleistungen in Anspruch genommen werden dürfen.

Dazu gehört auch das Kindergeld, das zukünftig indexiert werden soll. Viele EU-Staaten haben sich beschwert,
dass ihre Sozialleistungen für Kinder in anderen EU-Staaten fließen.

Eine Indexierung könnte dazu führen, dass das luxemburger Kindergeld für deutsche Grenzgänger
etwas reduziert wird. Details bleiben abzuwarten.

Das Problem besteht grundsätzlich darin, inwieweit Nicherwerbstätige Ansprüche an das Sozialsystem stellen.
Grundsätzlich darf der Mitglieds nicht automatisch ausweisen, wenn Ansprüche gestellt werden.
Eine Abwägung aller Umstände ist erforderlich.

Nach mehr als fünfjährigem Aufenthalt gibt es allerdings keine Beschränkungen mehr.

Grundsätzlich wird von Ausländern verlangt, dass sie über ausreichende Existenzmittel verfügen.

Was gilt für den Umzug nach Luxemburg, um dort eine Stelle zu suchen?
Nach der RL 2004/38 werden Arbeitssuchende von Sozialhilfe ausgeschlossen.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts soll ein Anspruch nach 6 Monaten Aufenthalt bestehen,
was der deutsche Gesetzgeber jedoch noch in diesem Jahr abschaffen will.

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Darf Luxemburg Grenzgänger von bestimmten öffentlichen Leistungen ausschließen?

Nach den EU-Richtlinien und der ständigen Rechtsprechung des EuGH zu beitragsunabhängigen
Leistungen müssen nicht alle EU-Bürger von einem Staat gleichbehandelt werden.

Beitragsunabhängige Leistungen sind zum Beispiel staatliche Förderungen, die nicht über die Sozialversicherungslbeiträge gefördert werden und die auch sonst nicht explizit in den
Richtlinien genannt werden. Kindergeld ist zwar auch beitragsunabhängig, wird aber in einem
eigenen Kapitel in den Richlinien behandelt.

So war es durchaus rechtmäßig, die Kosten für Kindergärten in Luxemburg nur an Residents
zu erstatten bzw. zu fördern. Viele Grenzgänger wollte auch von dieser Förderung profitieren
für die Kosten von Kindergärten in Deutschland. Das wurde abgelehnt. Derzeit ist geplant,
diese Förderung zu öffnen und auch Grenzgänger hieran teilhaben zu lassen.
Luxemburg müßte das nicht, kommt aber freiwillig den Grenzgängern entgegen.

Es liegt aber auch oft an der Definition der Leistung. Staaten versuchen aus Spargründen,
Leistungen so zu definieren, dass diese nicht unbedingt an alle Ausländer exportiert werden müssen.
Beispielsweise wurde die Studienbeihilfe zunächst nur an Residents gewährt. Luxemburg begründete
diese Regelung damit, den Anteil an Hochschulabschlüssen in Luxemburg steigern zu wollen.
Grenzgänger hatten hiergegeben vor dem luxemburgischen Verwaltungsgericht geklagt,
das den Fall dem EuGH vorgelegte.

Das Gesetz wurde dann schließlich in 2013 geändert. Grenzgänger haben seitdem auch ein Recht
auf die Beihilfe, jedoch unter der Bedingung, dass sie mindestens 5 Jahre in Luxemburg gearbeitet haben.
Immerhin. Man könnte sich fragen, ob auch diese Einschränkung rechtmäßig ist.

Sozialhilfe ist jedenfalls nicht uneingeschränkt an Ausländer zu zahlen.

Es ist zu erwarten, dass der Streit um die Definition einer Leistung
auch in Zukunft die Gerichte beschäftigen wird.

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Der elektronische Datenaustausch von Sozialversicherungsdaten in der EU

EESSI – heißt die Abkürzung für den elektronischen Datenaustausch
(Electronic Exchange of Social Security Information)

Um es vorweg zu nehmen: Es funktioniert noch nicht, aber man arbeitet daran. 

Die Software befindet sich noch in der Testphase.
Immerhin müssen 28 Staaten eingebunden werden.

Damit sollen letztlich nicht bloß die Daten ausgetauscht werden.
Es sollen auch Schulungsvideos auf zur Anwendung und zum Sozialrecht auf diesem Wege vermittelt werden.

Sozialsysteme in den Staaten sind unterschiedlich.
Die Abstimmung der IT-Schnittstellen wird damit schwierig.

Es wird erwartet, dass von Juli 2017 bis Juli 2019 alle Staaten
nach und nach an dem System angeschlossen sind.

Was bedeutet das für Luxemburg-Grenzgänger? Hier ein Beispiel:

Grenzgänger, die eine luxemburger und eine deutsche Rente erhalten,
müssen die luxemburger Rente seit Juli 2011 in Deutschland verbeitragen mit 10,2 Prozent.

Bislang gibt es keinen funktionierenden Datenaustausch zwischen den Staaten.
Aus diesem Grunde gibt es immer noch viele Rentner, die von dieser Pflicht nichts wissen
oder nichts wissen wollen. Die Krankenkassen sind auf die aktive Mitwirkung der Rentner angewiesen,
sonst erfahren auch sie nichts – zumindest nicht organisiert – von der Rente.

Es wird also der Tag kommen, an dem die deutschen Krankenkassen von der luxemburger Rente erfahren
und dann für ein paar Jahre rückwirkend die Beiträge verlangen. Dann könnte es zu schweren finanziellen
Belastungen für Rentner kommen.

Rentner sollten sich daher schon jetzt um eine aktive Meldung der Rente an die Krankenversicherung kümmern.

Von Strafrecht ist derzeit noch nicht die Rede. Im Steuerrecht kennt man die strafbefreiende Selbstanzeige.
Die Frage ist also, ob man hier eventuell noch die strafrechtliche Keule herausholt, um einen gewissen
Druck auf die Rentner auszuüben.

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Können sich EU-Bürger einfach in einem anderen Staat ärztlich behandeln lassen?

Innerhalb der EU haben Bürger den Anspruch auf den höchsten medizinischen Standard.
Wenn dieser also in dem Wohnsitzstaat höher ist, muss die Krankenkasse die Weiterbehandlung
im Wohnsitzstaat bezahlen.

Wenn sich ein Luxemburger in Trier zahnärtzlich behandeln läßt, verlangt die CNS einen vorherigen Antrag.

Es stellte sich die Frage, ob eine vorherige Genehmigung notwendig ist oder ob dies ein Hindernis im Sinne
EU-Richtlinie ist. Aus Sicht der Krankenkasse stellt sich auch die Frage der Höhe der Behandlungskosten.

In der Sache C-268/13 Petru vom 9.10.2014 hat der EuGH entschieden: Wenn der medizinische Standard
im eigenen Staat nicht gewährt wird, muss auch festgestellt werden, dass dies nicht bloß lokal möglich ist,
sondern im gesamten Land. Auch die Wartezeiten spielen dabei eine Rolle.
Wenn dies dann so ist, muss die Krankenkasse eine Behandlung im Ausland genehmigen.

Nach der Patientenmoblilitätsrichtlinie 2011/24/EU ist die vorherige Genehmigung also die Ausnahme.
Das gilt für alle geplanten und ungeplanten Behandlungen.

Eine Seite der DVKA gibt weitere Informationen hier klicken:

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